Ich kenne den Schmerz sehr gut. So viele Jahre begleitet er mich schon. Ich habe so viel versucht. So viele verschiedene Techniken ausprobiert und angewandt und mich dafür verurteilt, dass immer noch der gleiche Schmerz da war.
Ich versuchte den Schmerz weg zu meditieren. Ging immer wieder in mein Inneres, immer auf der Suche nach dem Schmerz. Ich wollte ihn doch unbedingt weghaben, endlich die so lang ersehnte Erlösung, den inneren Frieden, Freude und Glück – endlich mein Leben genießen. Also suchte ich ihn – immer wieder. Begegnete ihn in meinem Inneren und versuchte ihn zu transformieren.
Doch je mehr ich das machte, desto schlimmer wurde es: Es war ein Fass ohne Boden, immer wieder der gleiche Schmerz. Und noch mehr Schuld und Scham und das Gefühl, dass ich es einfach nicht hinkriege! Ich werde nie gesund, nie im Frieden, nie heil sein! Und bei diesem Gedanken kam dann das Gefühl der Verzweiflung und ein Hineinfallen in das tiefe, dunkle Loch.
Trotzdem gab ich nicht auf:). Ich wusste: Es musste eine Lösung geben, es konnte nicht sein, dass mir dieser Frieden nicht zustand.
Und meine Geburten zeigten mir die Lösung. Bei meinen Geburten war ich jedes Mal, ohne mich konzentrieren zu müssen, ohne eine besondere Technik anzuwenden im Jetzt. Ich wusste einfach automatisch was zu tun ist. Ich war einfach. Ich überließ meinem Inneren die Führung. Ich gab mich hin. Dem Prozess der Geburt und dem Schmerz. Und etwas Wundervolles passierte:
Der Schmerz verblasste – er transformierte sich – ich wurde ganz – eins mit meinem Baby und dem Moment. Alles passierte von alleine, ohne dass ich etwas tun musste! Es war unglaublich!
Und ich erkannte: Genauso wie die Geburt ist alles in unserem Leben, jeglicher Schmerz der hochkommt will geboren werden, gefühlt und angenommen werden.
Doch indem wir den Schmerz unbedingt weghaben wollen, mit all unseren tollen Techniken, können wir ihn gar nicht annehmen – das Gegenteil passiert: wir lehnen ihn ab und haben Widerstand. Und dieser Widerstand macht den Schmerz noch stärker.
Wir müssen nicht verstehen, warum der Schmerz, die Wut, die Angst da ist, wir müssen sie nur fühlen, sie umarmen, wie ein Kind, dass unsere Liebe sucht. Wir brauchen nicht in frühere Leben reisen um zu verstehen – verstehen will nur der Verstand.
Heilung passiert indem wir wieder fühlen lernen. All unsere Gefühle, die wir tief in uns vergraben haben. Wenn wir sie fühlen, werden wir wieder ganz. Und ja: manchmal kommen dann auch Bilder in uns hoch, aber nur, dann wenn es wichtig ist. Ansonsten reicht ganz einfach das Fühlen.
Jetzt in diesem Moment ist Heilung da. Wenn wir uns annehmen wie wir sind, mit all unseren Gefühlen. Ohne uns zu verurteilen, ohne uns ändern zu wollen. Einfach nur sein.
Versuche einmal in einem Moment des Schmerzes in den Schmerz zu atmen, ihn wahrzunehmen, in ihn hinein zu tauchen – völlig auf das Gefühl konzentriert, dich diesem Moment hingebend. Und schau was passiert.
Hier möchte ich gerne noch die Geburt von meiner Tochter Lana Kali mit euch teilen:
Am Tag der Geburt hatte ich bereits morgens nach dem Aufstehen leichte Wehen. Ich hatte schon vorher gespürt, dass unser Kind an diesem Tag kommen würde. Es war die Energie 12 E, nach dem spirituellen Mayakalender. Der Tag des Glücks und des Schicksals. Die Angst kam an diesem Tag noch einmal mit voller Wucht. Plötzlich dachte ich wieder an all die Dinge die schief gehen konnten, wenn man Angst hat…. Also noch mehr Angst. Ich schaffte es einfach nicht, diese Angst loszulassen. Schließlich kam mein Mann am Nachmittag nach Hause und war einfach da – und ich spürte: „Ich kann die Angst nicht loslassen. Wenn ich sie annehme, lässt sie mich los.“ Ich ging zur Toilette und atmete in diese Angst und sie lies mich ein Stückchen los. Ich entschied, dass ich nun akzeptieren wollte. Meine Tochter wollte kommen und ich würde mich dem jetzt hingeben.
Ich hatte sofort nach dieser Entscheidung meine erste stärkere Wehe. Ich ging zu meinem Mann und hatte dort eine noch stärkere Wehe. Ich bat ihn, mir die Kissen hoch zu tragen in das Meditationszimmer. Er half mir und ich sagte ihm, dass ich ihn rufen würde, wenn ich ihn brauchen sollte. Ich bereitete die Kissen auf dem Boden aus, legte Handtücher darüber und entkleidete mich.
Ich setzte mich auf eine Plastikwanne und es kam eine Wehe. Gleich danach folgte eine sehr starke Wehe, bei der ich fühlte, dass der Kopf von Lana nach unten kam. Ich ließ mich fallen, gab mich völlig der Geburt und den Wehen hin. Sogleich sprang die Fruchtblase und entleerte sich in der Wanne. Die nächste Wehe folgte und ich fühlte leichten Pressdrang. Sofort zog ich die Wanne unter mir hervor und blieb in der Hocke. Bei der nächsten Wehe gab ich mich dem Pressdrang hin. Während jeder Wehe chantete ich „Om“. Ich hockte vor meinem Altar und hielt mich mit meiner linken Hand am Altar fest, die andere Hand legte ich an meine Yoni. Die nächste Presswehe folgte, ich chantete weiterhin „Om“. Ich vibrierte innerlich und äußerlich und auch meine Stimme vibrierte mit dem „Om“. Ich wusste, das war die Shaktienergie, die weibliche Kraft, die durch mich floss.
Später erzählte mein Mann mir, dass er diese Vibration – die weibliche Kraft – auch gespürt hatte, er meinte, das ganze Haus hatte vibriert und die visuelle Wahrnehmung war verzerrt.
Die nächste Presswehe kam und ich spürte Lana Kalis Köpfchen an meiner Hand. Bei der nächsten Presswehe kam das Köpfchen. Ich sah ihr Gesicht und rief meinen Mann. Eine weitere Wehe folgte und sie war da! Sie lag auf den Kissen und ich nahm sie hoch. Sie begann zu weinen. Mein Mann kam hinein und half mir, sie auf meinen Bauch zu legen. Das Weinen verstummte sofort und ich streichelte ihr Köpfchen. Sobald ich ihr meine Brust anbot begann sie zu trinken, sie schaute uns aufmerksam an.
Auch die Kinder kamen nun hoch und freuten sich über ihr Geschwisterchen.
Ich war nur 15 Minuten in meinem Meditationsraum. Die gesamte Geburt hat weniger als 30 Minuten gedauert! Und ich hatte keine Schmerzen verspürt, nur eine gewaltige Kraft, die meinen Körper erfasste und führte.
Nach 3 Stunden ging ich auf die Toilette und sofort kam meine Plazenta herausgeglitten. Am Abend machten wir eine Mayafeuerzeremonie und übergaben die Plazenta zurück an die vier Elemente und baten um Schutz und Segen für das Leben unserer Tochter. Zwei Tage nach der Geburt, am Tag I´x – dem Tag von Mutter Erde – übergaben wir die Asche dem Lago de Atitlán – dem Herzen von Mutter Erde.
„Nur wenn Du Dich wirklich und aufrichtig ergibst und Dich Deinem Weg hingibst, Dich dem hingibst, was Du wirklich willst, dann wirst Du Dein Ziel erreichen.“
Sri Swami Vishwananda
Dieses gilt für alle Aspekte unseres Lebens – auch für die Geburt. Als ich mich der Geburt hingab, ging alles so schnell. Ich überließ meinem Körper und meinem höheren Selbst die Führung. Unser Körper weiß, was zu tun ist – instinktiv.